Donnerstag, 18.6.2015 / Technische Universität Dresden / Vortrag im Rahmen der Tagung Imaginationen der Störung veranstaltet von der ERC-Forschergruppe Principle of Disruption ///
Eben dieses Ineinander, die Möglichkeit immer neue Bilder aus den anderen heraus entstehen zu lassen, eliminiert das Hors-champ: Die digitalen Bilder brauchen kein Ausserhalb mehr, weil sie selber jedes nur mögliche Bild sein können. In ihrer konstanten Transformation ist jedes Bild potentiell auch alle anderen. Oder wie es Garrett Stewart formuliert:
In postfilmic cinema, no image precedes the one we see – or follows from its sequence. All is determined by internal flux [of the single frame].
Die Paradoxie von HD und den noch hochauflösenderen Formaten wie 2K und 4K ist, dass sie diesen internen Flux der Bilder dadurch kaschieren, dass sie dessen Tempo immer noch mehr erhöhen. Bildschirme geben ein umso schärferes Bild, je höher die Herzzahl ihrer Refreshrate ist und je zahlreicher die Anzahl der angesteuerten Pixel. Erhöhte Transformation (mehr Pixel und schnellere Wechsel) ergibt paradoxerweise eine verstärkte Illusion von Stabilität. Die Digitalbilder wirken schmerzhaft überscharf umso mehr, je mikroskopischer sie zerhackt sind.
Statt diese technisch bedingte Paradoxie des Digitalbildes zu kaschieren und Filme im HD-Format zu drehen, die immer noch aussehen als seien sie analog gedreht, stellen Regisseure wie Michael Mann oder David Fincher genau diese Eigenschaften des Mediums in der optischen Anmutung ihrer Filme, aber auch in deren Narrativen offensiv zu Schau.
Wenn Fincher als allerletzte Einstellung von GONE GIRL nochmal dasselbe Bild wie zu Beginn des Film zeigt, dass doch nicht ganz dasselbe ist, sondern vielmehr die subtile Transformation des ersten, ist dies nicht zuletzt ein Kommentar über das Digitalbild. Wie haben einen ganzen Film gebraucht, damit sich das Bild einmal um sich selbst drehte. Die beiden Ansichten von Rosamund Pike sind sozusagen ein und dasselbe Digitalbild mit einer Rerfresh-Rate von 2 Stunden, 23 Minuten und 44 Sekunden. Doch was hier bis zum Äussersten gedehnt wurde ist das, was auf den HD-Bildschirmen je nach Herzzahl bis zu 480 mal in der Sekunde passiert. Nonstop Mutation. Entstellung im Millisekundentakt. Und was wir am Ende von Finchers Film über das angebliche gone girl sagen können, kann auch als paradoxe Losung von High Defintion an sich gelten: Sie war nie weg. Sie war nie da.